Heteronormative Gewalt in Wissensproduktion und Behandlungspraxis der Sexualmedizin

Das Projekt untersucht Macht- und Herrschaftsstrukturen, die sich in der Sexualmedizin zeigen, spezifisch Heteronormativität, und welche Auswirkungen diese Macht- und Herrschaftsstrukturen auf das Leben queerer Personen haben.

Queere Personen formulieren aktuell Kritiken an der Medizin, insbesondere im Hinblick auf ihre gewaltvollen Praxen: Inter*Personen kritisieren die Zwangszuweisungen und -operationen an Säuglingen, deren Körper nicht in ein binäres Geschlechtersystem zu passen scheinen (Voß 2012; Zwischengeschlecht.org 2014) Trans*Personen machen auf medizinisches Gate-Keeping und Deutungsmacht über pathologisierte Geschlechter aufmerksam (Rauchfleisch 2016; Schirmer 2014; Sauer und Hamm 2015; Eisfeld 2014; Güldenring 2016) lesbische, schwule und bi+sexuelle Menschen kämpfen für ihr Zugangsrecht zu reproduktionsmedizinischen Verfahren (Mamo 2007) und gegen Diskriminierungen im medizinischen Sektor (Dennert und Wolf 2009); auch die a_sexuelle Community beginnt, die Medikalisierung der Abwesenheit von sexueller Anziehung in den Blick zu nehmen und dem entgegenzutreten. Gleichzeitig entstehen erste wissenschaftliche Arbeiten, die die schlechtere Gesundheit queerer Personen in den Blick nehmen und u.a. durch minority stress zu erklären versuchen (Dennert und Wolf 2009; Dennert 2009; Hirsch et al. 2016). In der (Sexual-)Medizin werden Körper, so meine These, heteronormativ konstruiert, was schwerwiegende Folgen für die Behandlung queerer Menschen hat.

Dieses Projekt geht heteronormativer Gewalt in der Wissensproduktion und Behandlungspraxis der Sexualmedizin auf den Grund und fragt, wie Körper, Geschlecht, Sexualität und Beziehung in der Sexualmedizin konstruiert werden, inwiefern diese Konstruktionsprozesse auf gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse verweisen und welche Auswirkungen diese Konstrukte für queere Menschen hat. Zentral dabei ist die Frage welchen Stellenwert queere Personen selbst in diesen Diskursen haben: Sind sie gleichwertige Expert*innen, die gehört werden oder sind sie unsichtbar und sind im medizinischen Diskurs, wie auch in vielen anderen, nicht intelligibel (um mit Butler zu sprechen).

 

Supervisor: Andrea Maihofer und Nina Degele (Universität Freiburg)

Co-Supervisor: Anelis Kaiser (Universität Freiburg)


Bio

Annika Spahn hat Europäische Ethnologie, Islamwissenschaften und Gender Studies an der Universität Freiburg studiert. Aktuell promoviert sie in Soziologie in der G3S und des Graduiertenkolleg Gender Studies im Rahmen einer Cotutelle de thèse an den Universitäten Freiburg und Basel. Sie arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Braunschweiger Zentrum für Gender Studies an der TU Braunschweig. Sie ist seit vielen Jahren queer_feministische Aktivistin.

Publikationen:

Spahn, Annika (2019): Uterustransplantationen: Medizintechnologische Geschlechterkonstruktionen und queere Durchkreuzungen. In: Feministische Studien [im Review-Verfahren].

Spahn, Annika (2019): Heteronormative Biopolitik und die Verhinderung von trans* Schwangerschaften. In: Castro Varela, María do Mar / Appenroth, Max (Hrsg.): Trans_ und Care. Bielefeld: transcript Verlag. [im Erscheinen]

Spahn, Annika et al. (2018): Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Unterricht und Schule. Abschlussbroschüre des Projekts „Hochschule lehrt Vielfalt!“ [im Erscheinen].

Spahn, Annika (2018): Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Bildungsmaterialien. In: www.lsbti-wissen.de [im Erscheinen]

Spahn, Annika / Gustke, Rebecca (2018): „Akzeptanz für Vielfalt“ macht Schule. Die Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Unterricht und Schule. In: Forum Wissenschaft. Nr. 3/2018, S.18-22.

Guigni, Lilia et al. / Annika Spahn (2018): Can Education Stop Abuse? Comprehensive Sexuality Education Against Gender-Based Violence. Abrufbar unter: https://gen-pol.org/wp-content/uploads/2018/03/GenPol-policy-paper_Can-Education-Stop-Abuse.pdf

Spahn, Annika (2017): Konstruierte Materie. Geschlecht und Körper als Spannungsfeld. Cogito. Spahn, Annika (2017): Subversion oder Assimilation? Trans* und Schwangerschaft in einer heteronormativen Gesellschaft. Abrufbar über: https://freidok.uni-freiburg.de/data/12314

Spahn, Annika (2017): Vollendung der Natur? Der wissenschaftliche Diskurs über Körpernormierung an intergeschlechtlichen Menschen. Akademikerverlag.

Portrait

Annika Spahn
Ethnologisches Seminar
Münsterplatz 19
4051 Basel
Schweiz