Involvierte Väterlichkeit: Eine neue Kultur der Sorge. Wandel und Persistenz von Männlichkeit in Arrangements geteilter Familienarbeit.

Ziel meiner Untersuchung ist die Beschreibung und Analyse von Transformationsprozessen in männlichen Selbstverhältnissen angesichts eines gewandelten Ideals von Väterlichkeit. Zunehmend entstehen Arrangements geteilter Familienarbeit, bei denen Väter sich umfassend in die alltägliche Sorgearbeit involvieren. Sowohl sie auch die Partnerinnen weisen eine Familie mit einem männlichen Oberhaupt zurück und damit einen zentralen Aspekt der bürgerlichen Geschlechter- und Familienordnung. Ich frage, wie sich die Existenzweisen von Männern durch diese Praxen und Erfahrungen involvierter Väterlichkeit verändern? Dazu fokussiere ich auf diese drei Teilfragen: Um den Prozess von Wandel und Persistenz einschätzen zu können, muss zunächst auf konzeptioneller Ebene gefragt werden: Wie war das Familienoberhaupt Teil der bisherigen Geschlechterordnung und damit auch für hegemonial bürgerliche Männlichkeit konstitutiv? Erst vor dieser Rekonstruktion können aktuelle Dynamiken von Persistenz und Wandel genauer eingeschätzt werden. Empirisch ergeben sich dann folgende Fragen: Wie wird in den Praxen und Erfahrungen involvierter Väterlichkeit das geschlechtliche Verhältnis zu sich und das Verhältnis zu anderen transformiert? Inwiefern werden dadurch zentrale Aspekte von Männlichkeit wie Autonomie, Souveränität und Dominanz verändert und welche Konfliktfelder entstehen dabei?

Auf einer konzeptionellen Ebene schliesse ich an Andrea Maihofers Gesellschafts- und Geschlechtertheorie an, insbesondere das Konzept der Familialisierung, und trage zu einer Erweiterung und Vertiefung dieser in Bezug auf Väterlichkeit bei. Wichtiger paradigmatischer Bezugspunkt ist auch die kritische Männer- und Männlichkeitenforschung insbesondere Analysen der Transformationsprozesse von Männlichkeit in der Debatte um «caring masculinities». In dieser Debatte wird Väterlichkeit jedoch häufig als etwas insgesamt neues thematisiert. Demgegenüber zeige ich auf, dass der Zusammenhang von care und bürgerlich patriarchaler Männlichkeit eine längere Geschichte hat, die auch für die Einschätzungen der Gegenwart relevant ist.

In der empirischen Analyse untersuche ich anhand qualitativer Interviews Erfahrungen und Praxen von Vätern im Übergang zur Vaterschaft. Aus den Interviews mit den Vätern wird deren Verhältnis zu ihren Kindern, ihrer Eltern und zu ihren Partnerinnen rekonstruiert. Grundlage bieten biografische, narrative Interivews der Väter von ihrer eigenen Kindheit bis zur Vaterschaft. Ergänzt wird die Analyse durch die Perspektive einiger Partnerinnen. Eine besondere Bedeutung kommt Situationen wie der Geburt oder dem Stillen der Kinder zu, in der die bürgerliche Geschlechterordnung besonders wirkmächtig erfahren wird und Transformationen herausfordernd scheinen. Ebenfalls gerungen wird um eine kritische Auseinandersetzung mit zentralen Aspekten herkömmlicher Männlichkeit wie Autonomie- und Dominanz, etwa wenn das Kind eigenwillig agiert. Untersucht wird dabei, welche Gedanken, Handlungen, Haltungen und Gefühle die Väter zu ihren Sorgepraxen entwickeln.

Konzeptionell trägt meine Untersuchung somit zu einer Erweiterung des Konzepts der Familialisierung der bürgerlichen Lebensweise mit Bezug auf Väterlichkeit bei. Die historisch-konzeptionelle wie auch die zeitdiagnostische empirische Analyse tragen zu einer differenzierten Einschätzung aktueller Transformationsprozesse von Männlichkeit durch involvierte Väterlichkeit bei. Von gesellschaftlicher Relevanz ist dies, da sowohl Herausforderungen als auch Potentiale für die Gleichstellung der Geschlechter neu verstanden werden und Personen – beispielsweise in der Gleichstellungsarbeit – in ihren Bedürfnissen besser unterstützt werden können.

Supervisor:  Prof. Dr. Andrea Maihofer
Co-Supervisors: Prof. Dr. Alex Demirović, Dr. Andrea Zimmermann


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